[ electronic body music ]

Electronic Body Music, kurz EBM, seltener auch Aggrepo (Aggressive Popmusik), war ein in den frühen 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandener Musikstil, der sich durch repetitive Sequenzerläufe, vorwiegend tanzbetonte Rhythmen, sowie parolen-ähnliche Shouts (Rufgesang) auszeichnete. Er galt als Fortführung einer Konfluenz britischen Industrial- und paneuropäischen Minimal Electro-Sounds und zählt zu den Vorläufern des modernen Techno.

Ursprung, Höhepunkt und Rückzug in den Untergrund (1982-1993)
In Belgien von Gruppen wie Front 242 begründet, übten jedoch deutsche Acts wie DAF oder Die Krupps den wohl größten Einfluss auf die Entstehungsgeschichte aus. Deren Thematik „Arbeit, Schweiß & Muskelkraft“ wurde von Projekten wie Nitzer Ebb kurzerhand übernommen und blieb bis Anfang der 90er Jahre im Umfeld der EBM erhalten. Einflüsse von Interpreten aus dem Industrial-Bereich (Cabaret Voltaire, Throbbing Gristle) machen sich ab 1983 vor allem bei der Musik von Front 242 bemerkbar. Die Beteiligung deutscher Avantgarde (Can, Kraftwerk, Neu!) an der Stilbildung bleibt nach wie vor umstritten.

Ab Ende der 80er Jahre finden zahlreiche Veröffentlichungen von Projekten aus Deutschland (Bigod 20, Armageddon Dildos, Orange Sector, Paranoid, Aircrash Bureau), Skandinavien (Pouppée Fabrikk, Scapa Flow), Japan (DRP, 2nd Communication), Niederlande (Force Dimension) sowie aus dem Ursprungsland Belgien (Vomito Negro, Insekt, Typis Belgis) den Weg in die Clubs. Die musikalische Prägung durch Front 242 und Nitzer Ebb als erste EBM-Generation (Begründergeneration) kommt hier besonders stark zur Geltung. Parallel dazu griff man verschiedene Klangideen der Initiatoren auf, um sie anschließend in die eigenen Kompositionen einzuarbeiten.
Graphische Darstellung der Entwicklungsstufen
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Graphische Darstellung der Entwicklungsstufen

Ferner gab es Projekte, welche man auf Grund einzelner Titel in das EBM-Genre einreihte. Beispiele hierfür sind u.a. A Split-Second ("Colonial Discharge", "On Command/Live '89", "Crimewave"), à;GRUMH... ("Edito", "Kill", "Diffamavi Thebarum Potentes"), AAAK ("Concrete"), Pankow ("Stupidity/Idiot", "Remembermeremix"), Inside Treatment ("Field Of Vision", "Walk Alone"), The Invincible Spirit ("Push!"), Tribantura ("Lack Of Sense") oder die experimentellen The Klinik ("Moving Hands", "Go Back", "Memories"). A Split-Second beispielsweise sahen sich selbst vielmehr als elektronisches Rock-Projekt, was hauptsächlich durch Tracks wie "Mambo Witch", "The Parallax View" oder "Tear Your Rhythm Down" deutlich wird.

Etwa 1993/94 fast zeitgleich mit Electro Wave das Feld geräumt, ebnete die EBM u.a. den Pfad für neuere Stilarten wie Dark Electro (YelworC, Trial, Mortal Constraint), Hardcore Electro (LeÆther Strip, Klute, Second Disease, Absent Minded) oder Electro-Industrial (Dive, Suicide Commando, Stin Scatzor). Trotz des Bestehens von über einem Jahrzehnt blieb sie von jeglicher kommerzieller Ausschlachtung verschont.

Seit Ende der 90er Jahre und nach der Jahrtausendwende zeigen sich Reanimierungsversuche durch Epigonen wie Ionic Vision, Dupont, Spetsnaz, Proceed, Sturm Café oder Void Kampf mit nur mäßigem Erfolg. Ob es sich hier tatsächlich um ein europaweites Revival handelt, bleibt vorerst abzuwarten.

EBM in Nordamerika
Acts wie Front Line Assembly, Skinny Puppy oder Numb zählten (sich) nicht zur Electronic Body Music, da dieser Begriff weder in Kanada, noch den USA geläufig war. Für die Musik dieser Projekte wurde generell die Bezeichnung Industrial verwendet. Trotz europäischer Einflüsse (DAF, Portion Control, Front 242) steuerte man klanglich in eine andere, später zunehmend komplexere Richtung, sodass einzig Front Line Assembly und ihr Seitenprojekt Noise Unit ("Deceit", "Alle gegen alles") den für EBM typischen Merkmalen gerecht geworden wären.

Verkaufskonzessionen: 1984 konnte für die Veröffentichungen von Front 242 das Label WaxTrax! in Chicago als Lizenzpartner gewonnen werden. Al Jourgensen (Ministry), ehemals Teilinhaber des Labels, suchte nach einen Support-Act und holte die Belgier für die anstehende Ministry-Tour in die Staaten. Man entschloss sich daraufhin zur Zusammenarbeit und gründete das Gemeinschaftsprojekt Revolting Cocks. Im Jahre 1986 verließ Richard Jonckheere (Richard 23, Front 242) aufgrund musikalischer Differenzen jedoch die Band.

Im selben Jahr wurde die kanadische Plattenfirma Nettwerk Productions auf Front 242 aufmerksam. Mit reichlich Verspätung erschienen hier "Interception", "Masterhit", "Official Version" sowie das bis dato erfolgreichste Werk "Front By Front". Um die Alben von Nitzer Ebb kümmerten sich ab 1987 Geffen Records.

Europäische Kultur
Eine ausgeprägte Szene existierte anfangs nicht, in Belgien und Holland galt EBM hauptsächlich in kleineren Clubs als Anlaufpunkt der ansässigen Skins bzw. Hooligans (Lüttich, Brüssel, Gent, Rotterdam). Auch die spätere Hörerschaft konnte durch ihr martialisches Erscheinungsbild ausgemacht werden, was nicht selten zu Verwechslungen mit Vertretern aus der Punk- bzw. Fascho-Szene führte. Viele, vor allem ostdeutsche Zuläufer, fanden den Einstieg über das Synth Pop-Quartett Depeche Mode, obgleich dieses Projekt an der Entwicklung der Electronic Body Music nicht maßgeblich beteiligt war.

Haupttreffpunkte in Deutschland waren Frankfurt/Main (Dorian Gray, Music Hall) und nachfolgend auch Berlin (Tresor, Cisch Club). Beide Städte wiederum entwickelten sich in den 90ern zum Mekka der Techno House-Szene. Neben Talla 2XLC, Michael Münzing und DJ Dag, zählte Sven Väth zu den bekanntesten DJ's dieser Zeit. Er legte EBM ab etwa 1987 im Frankfurter Nachtclub Dorian Gray auf und konnte sich vor allem in den 90er Jahren weltweit einen Namen machen.

1994 gilt die EBM-Kultur als offiziell erloschen. Nach dem schnellen Niedergang der Musik ging ein Großteil der damaligen Hörerschaft nahtlos in die des Techno über. Ein weiterer Teil begründete die Electro-Szene und erlebte schon bald eine Subordination in die Gothic- und Wave-Kultur, während sich ein geringerer Rest anderen Bereichen wie Crossover, Grunge, Hardcore oder Industrial Metal zuwandte.

Erkennungsmerkmale
- Crew-Cut oder Flat (Brikett-Haarschnitt)
- Muskelshirts
- Leder- und Bomberjacken
- Tarn- und Lederhosen
- seltener auch Hosenträger in Verbindung mit freiem Oberkörper
- Schnürstiefel bzw. Doc Martens- / Underground-Halbschuhe (3-Loch)

Tanzstile
Ähnlich wie beim Punk tanzte man in den 80ern überwiegend Pogo. Dieser Stil wurde jedoch bald aus den Clubs verbannt und musste einem "gepflegten" und - noch lange nach dem Ende der EBM-Ära - begehrten 3-Schritte-Tanz weichen.

Drogen
Der Konsum von Drogen wurde strikt abgelehnt und in der Regel kritisiert. Dies unterschied die europäische Kultur u.a. von der kanadischen Industrial-Musikszene in Vancouver (Skinny Puppy, Front Line Assembly) und der späteren Techno-Szene - beides Kulturen, bei denen Rauschmittel eine nicht unwesentliche Rolle spielten.

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Die Neueröffnung
vom Nightpark
war ein voller Erfolg.
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